and foul is fair:
 
JAKOB UND DIE FOLGEN

Wer in Shakespeares Historien nicht die Partei­nahme für den Absolutismus der Tudors als zentrales Thema zu entdecken vermag, in der elisabethanischen Komödie nicht die überaus lobende Darstellung der elisabethanischen Handhabung der absolutistischen Politik, der wird schwerlich annehmen, Jakobs Thronbesteigung hätte zu einer grundsätzlichen Ände­rung in der Praxis Shakespeares geführt. Eben das aber ist der Fall.

Wie aber beschreibt ein Dichter die politische Praxis seines Königs, wenn er diese für falsch, dumm, schädlich und verderb­lich hält, wenn er schlussfolgert, sie werde zum Bürgerkrieg und zum Untergang der absolutistischen Ordnung selbst führen? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: 1. Der Dichter hört auf zu schreiben oder flüchtet sich in nichts ­sagende Handlungen und Ausstattungsstücke. 2. Man verfrem­det die Kritik derart, dass sie anstandslos die Zensur passiert und auch noch Beifall des Kritisierten findet, von dem schließlich das Wohl und Wehe der ganzen Truppe abhängt. Was sich freilich leichter anhört, als es zu machen ist.

Die Mehrzahl von Shakespeares Kollegen war nicht in seiner Verlegenheit, da sie sich nicht derart mit der inneren Beschaf­fenheit der elisabethanischen Politik der Balance und des Aus­gleichs beschäftigt hatten, sondern mehr mit den augenfälligen Äußerlichkeiten des Zeitalters: dem Kraftmenschen, den blut­triefenden Stoffen aus Antike, Renaissance und jüngerer Geschichte, den Sitten oder der einseitigen Puritaner- oder auch Adelskritik. Auffällig ist nun, wie sich diese Tendenzen unter Jakob verstärken und dominanter werden: die blutigen und maßlosen Übertreibungen, die Intrigenstücke nach spanischen Mustern, die Betonung des Ehebruchs, die Pastoralen und die Rache-Tragödien. Sie wurden von Lords und Ladys gespielt und kosteten Unsummen, die dafür mitsorgten, dass in der Königlichen Kasse steter Geldmangel herrschte. Das alles zeigt nicht nur die allgemeine Flucht in den bizarren oder unwichti­gen Gegenstand, sondern ist in seiner Gesamtheit durchaus auch Spiegel des jakobitischen Zeitalters.

Shakespeare war ein zu großer Künstler, um den allgemeinen Weg zu gehen, der ja auch immer einer des Kunstverfalls ist. Er blieb sich und seiner Leidenschaft treu, die genaue Beschaffenheit seines Landes und seiner Nation seinen dramatischen Dichtungen zugrundezulegen und sie einen Spiegel und eine abgekürzte Chronik des Zeitalters sein zu lassen. Aber das hieß fortan, die neue Handhabung der Absolutistischen Politik durch Jakob, also seine Unfähigkeit, einen tragbaren Ausgleich zwischen den einzelnen, sich befeindenden und bekämpfenden Klassen und der Krone herzustellen, auf die Bühne zu bringen, was ihn und seine Truppe - der solche Absichten unzweifelhaft gleichgültig waren - Kopf und Kragen kosten musste. War es ab 1570 verboten, auf der Bühne irgendeine religiöse Frage zu erörtern, um die Anglikanische Kirche, also die Stütze der absolutistischen Monarchie in England, jeglicher öffentlicher Kritik zu entziehen, so war unter Jakob vor allem die Behandlung politischer Themen auf der Bühne verboten. Und wen die Zensur verdächtigte, in böswilliger Weise auf die Erbfolge oder den schottischen König anzuspielen, oder eben auf seine Politik und seine politischen Schwierigkeiten, musste die Folgen fürchten: Schließung des Theaters, Inhaftierung der Schauspieler und des Autors, harte Strafen; die Zensur verstand, in politischer Hinsicht, nicht den geringsten Spaß.

Andrè Müller sen.


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