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DER ZEIT GEBIET‘RISCHE NOTWENDIGKEIT

Shakespeares Reaktion auf die turbulenten Ereignisse des Jahres 1605 bestand darin, ein Stück mit einer anscheinend orthodoxen und konservativen Botschaft zu schreiben. Macbeth befasste sich mit den fürchterlichen Konsequenzen, die die Ermordung eines von Gott eingesetzten Souveräns nach sich zog, und es gibt in diesem Drama sogar Hinweise auf die Gerichtsverfahren gegen die Männer der Pulververschwörung, die im Frühjahr 1606 stattfanden.

Da ist von "equivocation" die Rede, von "Wortverdrehungen" oder Zweideutigkeiten. In Macbeth wird auch schon die Herrschaft der Stewart-Dynastie angekündigt; da ist nämlich von Königen die Rede, die über England und Schottland regieren werden. Da König Jakobs Lieblingsthema, die Hexerei, in dem ganzen Stück eine so wichtige Rolle spielt, kann kein Zweifel daran bestehen, dass es mit Blick auf den neuen Monarchen geschrieben wurde und diesem gefallen sollte. Man kann sagen, dass die Hexen in dem Drama einen Geheimpakt zur Absetzung des rechtmäßigen Herrschers geschlossen haben, auf die sie hinarbeiten, indem sie gegenüber Macbeth von seiner "Größe" reden, ihn als den "künft‘gen König" begrüßen.

Doch hielt Shakespeare beim Schreiben gewissermaßen nur ein Auge auf den König gerichtet. Macbeth war auch dazu bestimmt, jedermann sonst zu unterhalten. Geister gehen auf der Bühne um, auf der es auch zu reichlich Blutvergießen kommt und finstere Magie praktiziert wird. Über dem Stück hängt eine beinahe keltisch anmutende Atmosphäre von Verhängnis und Ausgesetztsein an übernatürliche Mächte. Es ist so, als ob die Vorstellungskraft Shakespeares, der sich tief in seine schottischen Quellen versenkt hatte, von dem, was er dort fand, regelrecht in Besitz genommen worden war. Das war ein Tribut, den er für sein ungeheures Einfühlungsvermögen und seine ihm selbst unbewusste Assimilationskraft zu entrichten hatte.

Man hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Bankettszene des Dramas mit der Festmahlszene in jenem Teil eines Mysterienspielzyklus verwandt ist, der den Titel Der Tod des Herodes trägt. Die Atmosphäre von Tod und Verhängnis, die die alten Spiele durchzieht, überlebt auch durch Shakespeares Dramaturgie als eine weitere Schicht von Düsterkeit und Bedrohung durch das Übernatürliche. Shakespeare widmet seine Aufmerksamkeit hier weit mehr den dunklen chthonischen Mächten als den Omina des Himmels. Macbeth ist ein Nachtstück, eine nocturne im wahrsten Sinne des Wortes.

Peter Ackroyd 'Shakespeare. Die Biographie'


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